Kevin

Wenn ich mein Leben mit einem Wort beschreiben müsste, dann wäre es „span­nend“. Zumin­dest fühlt es sich danach an, wenn ich auf die letzten Jahre zurück­blicke.

Ich weiß noch wie ich mir einige Monate nach dem Errei­chen meines 18. Lebens­jahr die Frage stellte, was genau ich mir vom Leben eigent­lich erwarte und was ich dafür tun muss, um diese Dinge zu erhalten oder zumin­dest diesen Erwar­tungen anzunä­hern. 

Zu dieser Zeit hatte ich mit verschie­denen Konflikten zu kämpfen. Die Zustände in meinen Eltern­haus waren kata­stro­phal, mein persön­li­ches Privat­leben gestal­tete sich als schwierig und ich war jemand gewesen, welcher mit sich selbst stark zu kämpfen hatte. Das Einzige worüber ich mir zu diesem Zeit­punkt bewusst war, war dass ich unter den dama­ligen Umständen niemals hätte glück­lich werden können. 

Wobei wir auch schon bei meinen Erwar­tungen im Leben ange­kommen sind, eine gesunde Zufrie­den­heit, mit der es sich aushalten und gut leben lässt. 

Ich hatte damals den Entschluss gefasst mein Leben zu verän­dern und wenn nötig gewisse Anstren­gungen in Kauf zu nehmen, um diese Verän­de­rungen herbei­zu­führen. So hatte ich mich dazu entschieden noch einmal die Schul­bank zu drücken. Ich hatte die Schule zwar nie gemocht und blieb ihr in der Vergan­gen­heit oft fern, doch mir war klar, dass die Gestal­tung eines „erfolg­rei­chen“ Lebens, ohne einen Abschluss vorweisen zu können sich als äußerst schwierig gestalten würde. Doch mir ging es schon lange nicht mehr darum was ich mochte, sondern darum worin ich inves­tieren müsste um meine persön­li­chen Ziele, von denen ich ausging, sie würden mich zufrieden stellen, zu errei­chen und einer dieser Punkte war Bildung. 

Ich hatte zwar keine wirk­liche Ahnung davon was ich später einmal werden und machen möchte, doch ich wollte mir eine Basis schaffen, mit der es mir möglich wäre, wählen zu können, falls sich diese Frage im Laufe meines Lebens beant­worten sollte. 

Auch war es mir persön­lich unan­ge­nehm, dass ich seit der siebten Klasse, welche Jahre her gewesen war, keinen Klas­sen­raum mehr von innen sah.

Ein Jahr später war es dann soweit, im Jahre 2012 been­dete ich erfolg­reich die Haupt­schule und schrieb mich im Alter von 20 Jahren an einer Berufs­fach­schule für Labor­technik ein, mit dem Ziel die mitt­lere Reife zu erwerben. Während dieser Zeit sind viele Dinge geschehen, auf die ich persön­lich keinen Einfluss hatte: Meine Eltern trennten sich, mein Vater verlor die Wohnung und ich habe für einige Zeit im Gäste­zimmer von Freunden, guten Freunden denen ich vieles dankbar bin, logiert. 

Auf der Suche nach einer Lösung dieses Problems wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass es für Schüler einer Berufs­fach­schule möglich sei Schüler-BAföG zu bean­tragen. Das ermög­lichte mir in eine, wenn auch nicht so schöne, Wohn­ge­mein­schaft zu ziehen.

Trotz, dass sich diese Vorfälle zu einem ungüns­tigen Zeit­punkt ereignet hatten, während den Vorbe­rei­tungen für die Abschluss­prü­fungen, ist es mir u.a. durch die Unter­stüt­zung verschie­dener Leute gelungen diese kurz­zei­tige, aber inten­sive Krise zu meis­tern, was es mir erlaubte, im Jahre 2014, den Abschluss der mitt­leren Reife mein eigen nennen zu können. 

Der Besuch der Berufs­fach­schule für Labor­technik hat mich dazu moti­viert in diesem Bereich weiterzu­ma­chen und nach einigen Pleiten im Bewer­bungs­pro­zess auf eine betrieb­liche Ausbil­dungs­stelle, hatte ich mich dazu entschieden, mich für ein Berufs­kolleg mit biotech­no­lo­gi­schem Schwer­punkt einzu­schreiben. Diese Schul­form ist mit einer schu­li­schen Ausbil­dung wie auch der Möglich­keit die fach­ge­bun­dene Hoch­schul­reife zu erwerben verbunden.

Erst jetzt hatte ich das Gefühl, dass sich mein Leben in eine posi­tive Rich­tung entwi­ckelt. Die Probleme aus der Vergan­gen­heit schienen bewäl­tigt zu sein, ich konnte mich einer Sache widmen die mir tatsäch­lich Spaß machte und ich fand den Anschluss zu neuen Freund­schaften, die mich wachsen ließen. Das wich­tigste aber, ich hatte zum ersten Mal eine Ahnung davon wie ich mein Leben gestalten möchte. 

Ich befand mich in einer Blase der Zufrie­den­heit und Sicher­heit, welche Mitte 2016 vorerst zum Platzen gebracht wurde.

Ich hatte einen Brief vonseiten der Kran­ken­kasse erhalten und darin stand, dass das Versi­che­rungs­ver­hältnis über die Fami­li­en­ver­si­che­rung seit einiger Zeit erlo­schen war, ebenso enthielt der Brief eine für mich damals irrwit­zige Summe, die es zu beglei­chen galt. In Rück­sprache wurde mir mitge­teilt, dass ich mich nun in einem Frei­wil­ligen-Versi­che­rungs­ver­hältnis befinden würde. Es kamen massive Kosten auf mich zu die für einen Schüler der nur vom Schüler-BAföG als einzige Einnah­me­quelle lebte in keinster Weise zu stemmen waren. So war ich gezwungen das Berufs­kolleg nach der Been­di­gung des ersten Jahres zu verlassen und mich einer Tätig­keit zu widmen die es mir ermög­lichte zumin­dest aus der Frei­wil­ligen-Versi­che­rung auszu­treten, so dass mir am Ende wenigsten noch etwas zum Leben blieb.

Dieses Problem hätte von Anfang an vermieden werden können, hätte die Kran­ken­kasse die Schreiben im Vorfeld nicht an meine Mutter, bei der ich nicht lebte und die mich über keinen einzigen Brief infor­miert hatte, sondern an mich geschickt. Immerhin ging es bei der Forde­rung doch auch.

Natür­lich hatte ich mit dem Gedanken gespielt mir einen Nebenjob für die Zeit auf dem Berufs­kolleg zu suchen, doch ich hatte mir damals nicht zuge­traut die Ausbil­dung und alles damit verbun­dene unter einen Hut zu bekommen, wenn ich zusätz­lich noch einem Job nach­ge­gangen wäre.

Also trat ich einer drei jährigen Ausbil­dung in einem großen Unter­nehmen bei, das ausge­spro­chen gut zahlte, selbst für Azubiver­hält­nisse und ging einer Beschäf­ti­gung nach, die mir persön­lich keine Freude berei­tete, finan­ziell mir jedoch die Sorgen nahm. Es nervte mich und ich empfand es als äußerst unfair, dass ich etwas, das mir Freude bereitet hatte aufgrund von etwas so dämli­chem wie Geld aufgeben musste, da ich für mich zum dama­ligen Zeit­punkt keine andere Lösung gesehen habe. Es nervte mich, dass ich mich von meinen Mitschü­lern und Lehrern die ich zu schätzen lernte, trennen musste. 

Ein Jahr nach dem ich die schu­li­sche Ausbil­dung am Berufs­kolleg verlassen hatte, erhielt ich eine E-Mail von meiner alten Schule. Darin stand, dass es in Heidel­berg ein Angebot zur finan­zi­ellen Förde­rung für Auszu­bil­dende gäbe, das im Rahmen eines Stipen­diums statt­findet. Der Direktor persön­lich hatte meine ehema­ligen Lehrer auf dieses Angebot der Land­fried-Stif­tung hinge­wiesen und diese haben sich im Anschluss beraten und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es für mich möglich sei (Mit oder ohne Stipen­dium) an das zweite Jahr am Berufs­kolleg anzu­schließen. In diesen Moment hatte ich eine Entschei­dung getroffen, dass ich um jeden Preis das Berufs­kolleg und das damit verbun­dene Facha­bitur abschließen wollen würde. So schrieb ich eine etwas längere E-Mail an die besagte Stif­tung und hatte gehofft, dass ich als Kandidat in Frage kommen würde. Im Falle einer Ableh­nung hätte ich die Stra­pazen eines Neben­jobs, welchen ich mir noch im Vorfeld nicht zuge­traut hatte in Kauf genommen um die schu­li­sche Ausbil­dung, von der ich über­zeugt war, sie sei das Rich­tige für mich, zu Ende zu bringen. 

Ich gab einen sicheren Ausbil­dungs­platz/Arbeits­platz in einem großen Unter­nehmen und das damit verbun­dene Gehalt, ein sehr gutes Gehalt, welches mich nach der Lehre erwartet hätte für eine unbe­zahlte Ausbil­dungs­form an einer öffent­li­chen Schule von der ich nicht einmal wusste was mich danach erwarten würde auf und ich bereute keinen Tag. 

Die Tatsache, dass ich das hier schreibe ist ein Beleg dafür, dass ich als Stipen­diat infrage gekommen bin. Das Stipen­dium hat es mir erlaubt meine monat­li­chen Kran­ken­kas­sen­bei­träge zu hand­haben, welche mit dem Verlassen des Unter­neh­mens wieder auf mich zukamen und meine gesamte Zeit wie auch Aufmerk­sam­keit einer Sache zu widmen der ich tatsäch­lich nach­gehen wollte.

So konnte ich im Jahre 2018 eine erfolg­reich abge­schlos­sene Ausbil­dung und die fach­ge­bun­dene Hoch­schul­reife mein eigen nennen. 

Jeder dieser einzelnen Schritte war mit Mühen, Problemen und unvor­her­seh­baren Ereig­nissen verbunden, die mir manchmal das Gefühl gaben, nichts an meiner Situa­tion ändern zu können und viel­leicht mag das stimmen. Auf vieles was einem in den Weg gelegt wird hat man keinen Einfluss, man kann ledig­lich den Ausgang bestimmen, in dem man die Weichen dafür stellt, um aus der Misere heraus­zu­finden oder Glück haben. In meinem Fall hatte ich beides, ich hatte das Glück sehr gute Freunde zu haben und das Glück Menschen im Hinter­grund zu haben die sich für mich einge­setzten und mir Chancen ermög­lichten. Aber die beste Chance ist nichts wert, wenn sie nicht genutzt wird.

Hätte mir damals vor neun Jahren jemand gesagt, dass sich die Erwar­tung an mein Leben erfüllen würde, dann hätte ich ihm das nicht geglaubt. 

Die Geschichte meines Lebens ist gleich­zeitig die Geschichte vieler Menschen die aktiv dazu beige­tragen haben mich auf meinem Weg zu unter­stützen. 

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